Wissen in der Praxis des Nachhilfeunterrichts

Rückblick auf 10 Jahre der Zusammenarbeit mit Schülerinnen und Schülern bei der Festigung von MINT

In früheren Beiträgen habe ich häufig das Konzept und die Vorgaben für die Vermittlung von MINT-Wissen in den Schulen, wie sie von den mit Wissenschaft und Bildung befassten Ministerien vorgegeben werden, kritisch kommentiert.

Auch die Umsetzung derartiger Konzepte und Vorgaben im praktischen Schulalltag – soweit sie aus der Zusammenarbeit mit den Schülerinnen und Schülern im Nachhilfeunterricht erkennbar war – gab reichhaltigen Stoff für kritische Beiträge.

Im Zeitraum meiner Beschäftigung als Nachhilfelehrer in MINT-Fächern seit 2010 hat es in der Region Hamburg / Schleswig–Holstein zahlreiche Reformansätze gegeben mit dem Ziele, die Qualität des Unterrichts und damit die erreichten Schulabschlüsse in den MINT-Fächern – vor allem im Oberstufenbereich – im überregionalen bzw. internationalen Vergleich zu verbessern.

Wie die letzten Veröffentlichungen der einschlägigen Studien zu diesem Thema gezeigt haben, ist der erreichte Stand nach wie vor nicht wirklich “beglückend“.

Der vorliegende Beitrag hat nicht zum Ziele, den zu früherem Zeitpunkten vorgetragenen Kritiken und “Klagen“ aktualisierte hinzu zu fügen.

Für jede Schülerin und jeden Schüler besteht letztlich die konkrete Aufgabe, auf dem Wege über die alltäglichen Aufgaben im Schulunterricht zu dem angestrebten Schulabschluss in den betreffenden Leistungsstufen zu kommen. Es hat sich gezeigt, dass die generelle Erkenntnis darüber, dass die aus der Bildungspolitik resultierenden Bedingungen für die Sicherstellung einer zielführenden Schulausbildung mehr oder weniger unbefriedigend sind, bei dieser Zielsetzung wenig oder – zutreffender – gar nichts nützt.

Die Fairness gebietet es, in diesem Kontext zu erwähnen und zu berücksichtigen, dass die Ausbildungssituation durch erhebliche Unterschiede in der individuellen Veranlagung und Neigung sowie im familiären und sozialen Umfeld geprägt ist.

An diesen Rahmenbedingungen können die Schülerinnen und Schüler im Wesentlichen nichts ändern.

Das gilt natürlich auch für den Nachhilfelehrer, aber dieser hat die sehr realistische Chance, in einer entsprechend gestalteten Zusammenarbeit im Rahmen des Nachhilfeunterrichts den ihm anvertrauten Schülerinnen und Schülern dazu zu verhelfen, ihre Ziele “trotzdem“ zu erreichen.

Dazu bedarf es sozusagen einer Art “Verschwörung“ zwischen den Akteuren in dieser Kooperation. Die Beteiligten, also die Nachhilfeschülerinnen und Nachhilfeschüler zusammen mit ihrem Nachhilfelehrer, müssen die gesteckten Ziele dieser Zusammenarbeit definieren und sich dazu bekennen, dass sie diese gemeinsam erreichen wollen. Im Übrigen sind aus Sicht des Autors durchaus auch die Eltern – in aller Regel ja wohl die Auftraggeber – mit einzubeziehen.

Auf dieser Basis gilt es dann, die Arbeit aufzunehmen, wobei zwei wesentliche Aufgabenstellungen zu bedienen sind:

Die Schülerinnen und Schüler müssen durch die Arbeit mit dem Nachhilfelehrer in die Lage versetzt werden, die Themen des im Schulunterricht behandelten Teilgebietes des jeweiligen MINT-Faches zu verstehen und insoweit gesichert handhaben zu können, um den Anforderungen in mündlichen und schriftlichen Tests und Klausuren entsprechend ihren eigenen Zielsetzungen gerecht zu werden.

Der zweite wesentliche Teil für diese Zusammenarbeit besteht darin, die in der Ausbildungshistorie des Einzelnen begründeten und entstandenen “Lücken“ möglichst dauerhaft zu schließen. “Lücken“ jedweder Art führen in den MINT-Fächern regelmäßig dazu, dass es bei der Lösung von Aufgaben – aus welchem Teilgebiet des Sekundar- und Oberstufenprogramms auch immer – mit der Lücke zum Stopp kommt. Anders als z.B. bei den Fremdsprachen gibt es bei den MINT-Fächern keine Redundanzen, mit denen sich die Lücken schließen lassen.

Diese beiden Pflichtprogramme müssen im Alltag des Nachhilfeunterrichts praktisch parallel laufen, der alle Voraussetzungen bietet, in beiden Zielrichtungen zu guten Erfolgen zu kommen.

Einerseits können im intensiven “Frontalunterricht“ – sozusagen von Angesicht zu Angesicht – Defizite im Verständnis des im Schulunterricht aktuell behandeltem Lehrstoffs aufgedeckt und ausgeräumt werden. In der synchron laufenden Bearbeitung der hierzu gehörenden Übungsaufgaben durch Lehrer und Schüler – jeder auf seiner Seite des Arbeitstisches – wird interaktiv die Fähigkeit vermittelt und erworben, den Anforderungen im Unterricht und in den Testprozeduren des jeweiligen MINT-Faches gerecht zu werden.

Stehen Klausuren bevor, so ist es hilfreich, dass der Nachhilfelehrer auf Grund seiner sehr langjährigen Erfahrung voraus sehen kann, welche Art von Aufgabe erwartet werden kann. Das ermöglicht ein sehr gezieltes Training, wobei es individuell natürlich möglich ist und oft praktiziert wird, eine Unterrichtseinheit zeitlich in Richtung des Klausurtermins so zu verschieben, dass die Vorbereitung optimiert wird.

Am Schluss eines solchen Vorbereitungstermins bietet sich die Möglichkeit, gezielte Motivation in Form des fröhlichen Zurufs „Nur Mut!!“ zu verbreiten, wie es im Rahmen des Mathematikstudiums des Autors an der Technischen Universität Berlin der vom Autor sehr verehrte Ordinarius für Mathematik, Prof. Ernst Mohr, während der Klausuren – an die auf zahlreiche Säle verteilten Studenten gerichtet – zu tun pflegte.

Hier wie im Übrigen in allen Phasen eines auf Erfolg ausgerichteten Unterrichts spielt aus Sicht des Autors Empathie eine ganz wesentliche Rolle.

Die – wie erwähnt – parallellaufende Aufdeckung und Beseitigung der bestehenden Lücken führt zwangsläufig zu Zeitdruck. Dem kommt entgegen, dass die am häufigsten verbreiteten Lücken aus der Erfahrung heraus bestens bekannt sind. Um welche es sich handelt und mit welcher “Wucht“ sie ausgeprägt sind, zeigt sich recht bald in der geschilderten interaktiven Zusammenarbeit im Nachhilfeunterricht, der den wesentlichen Vorteil bietet, dass zeitlich und von der Sache her, die Möglichkeit besteht, die Lücken zu schließen. Im Schulunterricht gibt es – soweit die Erfahrung des Autors – diese Möglichkeit in keiner Phase: Hier führt die Lücke zum Misserfolg.

Neben diesen geschilderten Basisaufgaben des Nachhilfelehrers kann gelegentlich auch das intensive Training auf ein Einzelziel hin gefordert sein. Hier geht es in der Regel um die gezielte Vorbereitung auf einen spezifizierten Abschluss, wobei der dem Nachhilfelehrer gesetzte Zeitrahmen in der Regel sehr eng ist. In derartigen Fällen werden gegebenenfalls zusätzliche Kompetenzen gefordert.

Im Rückblick auf zehn Jahre der Betätigung als Nachhilfelehrer in MINT-Fächern – wobei das Fach Mathematik den Schwerpunkt bildete – entsteht aus der persönlichen Sicht des Autors das Bild einer sehr intensiven, erfüllenden und mehrheitlich erfolgreichen Zusammenarbeit mit Schülerinnen und Schülern im Sekundar- und Oberstufenbereich, gelegentlich auch mit Auszubildenden in der Berufsschulphase in einem Lehrberuf.

Der Autor des Beitrages hat für sich auf der Basis eines eigenen Bewertungssystems eine quantitative Auswertung darüber durchgeführt, in welchem Maße die Leistung der Schülerinnen und Schüler im Einzelnen wie im Mittel verbessert werden konnte. Auf eine quantitative Aussage zu Ergebnissen dieser Analyse wird bewusst verzichtet. Sie rechtfertigen jedoch die zuvor gemachte Aussage in vollem Umfange, dass die hier behandelte Zusammenarbeit zwischen Nachhilfelehrer und Schülerinnen und Schülern über 10 Jahre “Mehrheitlich erfolgreich“ war.

Veröffentlicht von

Hensel

Prof. Dr. Wilfried Hensel, TU Berlin. 30 Jahre naturwissenschaftliche Lehrerfahrung

Schreibe einen Kommentar