Die aktuelle Schuldebatte in Deutschland zeigt, dass sich offensichtlich viele Eltern Änderungen und Vereinheitlichungen im Schulsystem Deutschlands wünschen. Das Hamburger Abendblatt bringt heute hierzu eine Stellungnahme von Dr. E.-D Rossmann, der einen nationalen Schulkonsens fordert. Dr. Rossmann ist Dipl. Psychologe, ein bildungspolitischer Sprecher der SPD, der mit einer Arbeit über das Training von Jugend-Fussballmannschaften promoviert hat.
Zum Schulkonsens folgende Gedankengänge:
1. Die Bundesrepublik ist ein föderativer Staat, bestehend aus 16 Einzelstaaten. Der Bund nimmt nur bestimmte Kompetenzbereiche wahr. Genau dieses System ist uns im Grundgesetz auf ewig vorgeschrieben (sogenannte Ewigkeitsklausel Art. 79.3). Kultur und Bildung liegen in den Händen der jeweiligen Bundesländer und das nicht erst seit den Föderalismusreformen. Eine Änderung hier setzt eine neue Verfassung voraus, dieses zunächst eine verfassungsgebende Versammlung. Diesen Aufwand hatten sich unsere Politiker erspart und einfach bei der Wiedervereinigung dem alten Grundgesetz den Verfassungsrang „verliehen“ (Ein Staatsrechter kann’s sicher dedizierter erklären (oder auch nicht…)).
2. Die Bundesländer sind in Ihrer Demoskopie grundverschieden. Selbst innerhalb eines Bundeslandes gibt es signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen und damit auch bei den Schülern einer Region: Ein Deutsch-Grundschulunterricht in Berlin-Kreuzberg oder Neukölln wird sicher andere Inhalte verlangen als in Hamburg-Rissen oder München-Schwabing…
3. Ein Flächenstaat hat – gemessen an Bevölkerungsstruktur, Bevölkerungsdichte, Bildungsgrad, Anzahl der schulpflichtigen Schüler und nach Grad der Industrialisierung – unter Umständen jeweils anderen Anforderungen im Schulsystem zu begegnen als ein Stadtstaat.
4. Sicher haben wir in Deutschland mit 16 unterschiedlichen Schulsystemen eine breite, teilweise verwirrende Vielfalt. Mit Reibungsverlusten bei Schülern, gerade bei Umzügen in ein anderes Bundesland. Und? Wenn Eltern mit Kindern / Schülern umzieht, können die gleichen Problematiken der unterschiedlichen Schularten und -formen auch schon innerhalb eines einzigen Bundeslandes entstehen: altsprachliches Gymnasium am alten Ort, am neuen Ort in erreichbarer Nähe nur mit naturwissenschaftlicher Ausrichtung… Die alte Schule hatte eine tolle Musik-AG, die neue nun nicht mehr…
5. Ein schulisches 2-Wege-Modell ist nicht zuletzt finanziellen Überlegungen entsprungen und soll Geld sparen: Es ist eben günstiger, nur einen Schulstandort und eine Schulart zu unterhalten, als drei verschiedene Schularten mit drei Turnhallen bei abnehmenden Schülerzahlen in Schuss zu halten.
6. Ganztagsschule 2020? Auch die Langzeitstudie StEG der Bundesregierung stellt fest, dass der Bedarf der Ganztagsbetreuung von Schülern nach der Grundschulzeit eher abnimmt. Stand der empirischen Bildungsforschung ist, soweit uns bekannt, dass die Schulformen und -arten bei den Leistungen der Schüler ohnehin keine signifikante Rolle spielen, sondern dass, im Gegenteil, eine Vielfältigkeit in der Schullandschaft und ein Wettbewerb der Schulsysteme förderlich für den Wohlstand in einer Gesellschaft sind.
7. Reform der Lehrerausbildung? Ja, aber eine Vereinheitlichung der Lehre / Ausbildung an allen pädagogischen Fakultäten der Bundesrepublik? Jeder Dozent soll hier dann zum Beispiel Fachdidaktik inhaltsgleich lehren? Schwierig… Weiterbildung für die im Schuldienst befindlichen Lehrer und Lehrerinnen sollte dagegen ohnehin verpflichtend sein, allerdings immer individuell auf die Anforderungen und abgestimmt auf das Einzugsgebiet der jeweiligen Schule (Stichwort: Subsidiaritätsprinzip) bezogen.
Eine Standardisierung der Lehranforderungen in Kernfächern ist ohnehin politisch auf dem Wege über Qualitätsstandards, Vermittlung von Lernfeldkompetenzen und Bestrebungen verschiedener Bundesländer, einheitliche Abiturprüfungen zu generieren.
Zu guter Letzt: Eine Bildungszentralisierung würde den Dissenz der „richtigen“ Schulpolitik lediglich auf die nächsthöhere politische Ebene verlagern und könnte alle 4-5 Jahre, bei geänderten Mehrheitsverhältnissen auf Bundesebene dann eine Reform der Reform der Reform der Schulreform bedeuten. Ist das gewollt und gewünscht? Wohl eher nicht…