Ist die Digitale Revolution in Hamburg im Fach Physik (!) schon weitgehend abgeschlossen und ein Fach Informatik an Hamburger Schulen überflüssig? Darüber wird im Netz momentan fleissig kommentiert.
Hintergrund: Die Schulbehörde in Hamburg plant, Informatik nur als Wahlfach an den Stadtteilschulen Hamburgs anzubieten. Bisher wurde Informatik zumindest als Teilbereich im Pflichtfach „Naturwissenschaften und Technik“ mit abgehandelt.
Ist das der richtige Weg, fragen auch wir uns hier im Nachhilfe-News-Blog.
Die Frage, welche sich hier stellt: Ist „Informatik“ für Schülerinnen und Schüler (SuS) an einer Stadtteilschule vom gesellschaftlichen Stellenwert wichtig als verpflichtende Grundlage?
Zur Antwort kann sich der Interessierte die Lehranforderungen, welche sich im Hamburger Bildungsplan „Informatik“ auf der Seite 16 nachzulesen sind, mal anlesen. Schnell wird klar, dass der heutige Informatik-Unterricht sich nicht im Stanzen von Lochkarten und in der Vermittlung von anachronistischen, mathematischen Programmiersprachen ergeht, sondern eher anwendungsorientiert und analytisch die Basis für Medienkompetenz legen soll. Nicht der Binärcode und Fortran stehen im Vordergrund des Unterrichtes, sondern durchaus praktische Dinge, welche mit Sicherheit berufs- und studienvorbereitend sind, unter anderem:
- Erkennen und Benennen von PC-Hard- und Softwarekomponenten und deren Wirkzusammenhängen
- Wirkweisen des Internets, sinnige Web-Recherchen, Gestaltung von E-Mails
- Effiziente Nutzung von Anwendungsprogrammen zur Textverarbeitung, Bildbearbeitung und für Präsentationen
- Vor- und Nachteile unterschiedlicher Dateiformate für Bilder und Grafiken
- Digitalisierung, Zeichen- und Farbkodierung
- Komprimierung von Bildern und ihre Auswirkung auf Bildqualität und Dateigröße
- Eignung von Anwendungsprogrammen für die jeweiligen Aufgaben
- Objektorientierte Sichtweise von Anwendungsprogrammen, Arbeiten mit Kontextmenüs
- Auswahl und Strukturierung von Information für verschiedene Zielmedien und Adressaten
- Verwenden von Formatvorlagen (Bildungsplan Informatik HH S. 18ff.)
Mit diesen Inhalten wird bei Schülern ein fachlicher Grundstock der Mediengesellschaft gelegt und Medienkompetenzen für unsere Informations- und Mediengesellschaft vermittelt. Die obigen Inhalte sind Grundvoraussetzungen für fast alle späteren Berufstätigkeiten und das nicht nur im kaufmännisch-gewerblichen, sondern auch in den technisch-gewerblichen Berufen: Denn auch der Malerbetrieb hat heute eine Homepage, welche gepflegt werden muss, recherchiert Produkt-Infos im Internet und verschickt seine Angebote per E-Mail…
Solche Fachinhalte aus der „Startaufstellung“ auf die „Ersatzbank“ zu verlagern, wo die Teilnahme dann auch noch freiwillig erfolgt, oder der eine angebotene Kurs der Schule schnell voll ist, halten wir für „rückwärts gewandt“ und unterläuft bei strenger Auslegung den staatlichen Bildungsauftrag, nämlich Schülerinnen und Schüler auf die aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Wertschöpfungsprozess vorzubereiten.
Nach den Regeln der Hermeneutik fragen wir uns im Nachhilfe-News-Blog nach den Gründen für eine solche Entscheidung der Schulbehörde.
Das Fach Informatik setzt mit obigen Lehrinhalten natürlich funktionierende Computerräume an Stadtteilschulen mit aktueller Netz-, Hard- und Software in ausreichender Stückzahl voraus, ebenso Kollegen, die sich in „liebevoller Akribie“ um die Wartung kümmert und Fachlehrer, welche in der Anwendung neuer Medien „firm“ sind.
Das kostet eine Schulbehörde natürlich Ressourcen, sprich Geld und Personalzuweisung. Liegen die Gründe für die „Rückstufung“ und Prioritäts-Herabsetzung des Faches Informatik vielleicht eher in einer finanzieller „Konsolidierung“ des Schul-Budgets?
Hat die Einstufung von „Informatik“ als Wahlpflichtfach an den Stadtteilschulen vielleicht dann auch zur Folge, dass sich weniger Schülerinnen als Schüler hier freiwillig anmelden? Gerade Frauen mit Informatik (= MINT) Kompetenz haben heute überproportional hohe Chancen am Arbeitsmarkt. (nachzulesen im MINT-Report 2012 S. 5)
Informatik ist ein Teil der MINT-Fächer. Natürlich lässt sich darüber streiten, ob ein Fach Informatik – mit den obigen Lehrinhalten – so der reinen Mathematik zuzuordnen ist, aber das ist wohl eher sekundär…
Wie wichtig für unsere Gesellschaft, und damit auch für unsere Schulkinder, jedoch der gesamte MINT-Fächer kanon ist, kann den Artikeln unseres Nachhilfe Blog Autors Prof. Dr. Hensel entnommen werden.
Und sebstverständlich braucht ein PKW-Fahrer nicht auch Autokonstrukteur zu sein.
Aber wenn man weiß, wo sich der Tank befindet oder wie – und vor allem wann – ein Reifen gewechselt werden muss, hilft das doch im Straßenverkehr schon ungemein weiter… 😉
Ein Gedanke zu „Schule Hamburg ohne Informatik?“