Mint-Fächer: Die Trendwende ist möglich…

…wenn Mathe mehr Spaß macht!

Der Anlass zu meinem letzten Beitrag waren die schlechten Abschlüsse der Abiturienten und Abiturientinnen an Hamburger Gymnasien und Stadtteilschulen, wie sie in den Medien während der Sommerpause mehrfach dargestellt wurden. Diese überwiegend negativen Signale aus dem MINT-Geschehen an Hamburger Schulen verführten mich dazu, meine Erfahrungen als ABACUS-Nachhilfelehrer in MINT-Fächern bei der langjährigen Betreuung von Schülerinnen und Schüler der Oberstufe im Kreis Pinneberg zu überdenken und zu kommentieren.

Das Ergebnis dieser Überlegungen

war, dass der Lehr- und Lernprozess in dem hier betrachteten MINT-Umfeld ebenfalls zu sehr schlechten durchschnittlichen Ergebnissen bei den Leistungstests führt.
Der Autor kam zu der Schlussfolgerung, dass es grundsätzlicher Änderungen im Lehr- und Lernprozess bedarf, um die Trendwende zu besseren Ergebnissen einzuleiten. Dabei vertrat er die Meinung, dass Mittel und Wege zur Verbesserung des Gesamtergebnisses – im Sinne von Durchschnittsleistung – hinreichend bekannt sind.

Der Zufall will es, dass er wenige Tage später bei der Sichtung des Zeitungsstapels, der in der Urlaubszeit nicht aufgearbeitet wurde, einen Artikel im Abendblatt findet, der genau diese These voll bestätigt. Unnötig zu bekennen, dass dieser Artikel, der am 25. Juli im Hamburg Teil des Hamburger Abendblattes veröffentlicht wurde, mit großer Freude zur Kenntnis genommen wurde. Unter dem Titel „Wie Mathe mehr Spaß macht“ veröffentlicht das Hamburger Abendblatt im Hamburg Teil ein Gespräch mit der Professorin Gabriele Kaiser, die das Fachgebiet Mathematikdidaktik an der Universität Hamburg vertritt. Sie ist die Initiatorin des weltweit wichtigsten Kongresses, in dem Forscher zum Thema Lehren und Lernen von Mathematik zusammenarbeiten. Auf die gleich zu Anfang dieses Gespräches gestellte Frage: „Was läuft schief bei den Schülern, die sich mit Mathe schwertun?“ antwortet Frau Kaiser „Da läuft nichts schief bei den Jugendlichen, sondern im Unterricht.“ In aller Klarheit bringt es die Professorin dann auf den Punkt: Die Schüler brauchen Anschaulichkeit und Bezüge zum Alltag, um Mathematik zu verstehen und Spaß daran zu haben. „Leider findet die Anschauung im Matheunterricht schon in der Mittelstufe vielerorts kaum noch statt“, resümiert die Professorin.

Wenn der ABACUS-Nachhilfelehrer in MINT-Fächern den jungen Menschen die Tür zum Verständnis der Mathematik öffnen will, dann muss er vor allem klarstellen, dass Mathematik nicht als Zeitvertreib für hoch intellektuelle Gehirnakrobaten geschaffen wurde. Vielmehr wurden die Regeln und Methoden der Mathematik geschaffen, um zahlenbasierte Aufgabenstellungen sowohl im Alltagsleben als auch in den Naturwissenschaften und der Technik zu lösen. In diesem Verständnis ist Mathematik auch eine Sprache, die die Kommunikation über derartige Phänomene im Alltag und der Wissenschaft möglich macht.

In dem von mir zitierten Gespräch des Abendblattes sagt Frau Kaiser hierzu: „Dass Mathematik aber ein ganz wichtiger Schlüssel sein kann, um die Welt zu verstehen und um in vielen Berufen zu arbeiten, sollte man Schülern so früh wie möglich vermitteln…“ Die Anfangsgründe der Schulmathematik bis hin zur Sekundarstufe I und II stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit unserem Alltagslegen. Das hier zu erlernende Basiswissen kann ohne Schwierigkeiten mit Anschauungsbeispielen hinterlegt werden. Auf diesen Sachverhalt habe ich in einigen meiner früheren Kurzbeiträge sehr deutlich hingewiesen.

Schwerpunktsthemen im Sekundarstufenbereich, wie etwa die linearen Funktionen oder die Trigonometrie mit den bekannten Winkelfunktionen SINUS, COSINUS und TAGENS – um nur zwei Beispiele herauszugreifen – wurden in diesen Beiträgen in Bezug zu Phänomenen gesetzt, die uns im täglichen Leben vielerorts begegnen. Im Zusammenhang mit der Forderung nach Anschaulichkeit im Mathematikunterricht möchte ich auch auf meinen Beitrag über den „Altonaer Kinderolymp“ im September 2011 verweisen. Im August 2011 wurde eine Ausstellung zum Thema „Zahlen – Reise. Mathe macht Spaß“ angeboten. Das Schiff „Altona“ lud ein zu einer Reise, auf der es das Abenteuer Mathematik zu entdecken galt.
Das Oberstufenprogramm im Mathematikunterricht – also der Lehr- und Lernstoff in den Klassen 11 und 12 im G8-System – umfasst nach gültigem Curriculum die Themengebiete Analysis, Analytische Geometrie und Stochastik. Diese Themen stehen nicht mehr im unmittelbaren Zusammenhang mit zahlenbasierten Aufgabenstellungen des Alltagslebens. Das hier vermittelte Wissen wird vor allem im Bereich der Naturwissenschaften und der Technik benötigt. In diesem Sinne ist der Mathematikunterricht der Oberstufe natürlich vorrangig eine unverzichtbare Voraussetzung für den späteren Einstieg in einen technischen oder naturwissenschaftlichen Beruf.

Wie aussichtreich dieser Berufsweg in inhaltlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht im In- und Ausland ist, wurde vom Autor in früheren Beiträgen mehrfach ausgeführt. Die zweifellos höhere Komplexität der Mathematikthemen in der Oberstufe bedeutet aber keineswegs, dass die wichtige Forderung nach Wahrung der Anschaulichkeit aufgegeben werden muss. In meinem Beitrag über den Ganzheitlichen Ansatz für die MINT-Fächer habe ich auf die hervorragende Möglichkeit im Oberstufenbereich hingewiesen, die naturwissenschaftlichen Fächer – also vor allem Mathematik und Physik – als eine Einheit zu betrachten. Mein Vorschlag zum Thema Veranschaulichung im Mathematikunterricht auf dieser Stufe lautete (Zitat): „Die pädagogische Aufgabe der Wissensvermittlung in diesen Fächer könnte dann als ganzheitlicher Ansatz wahrgenommen werden. Durch eine entsprechende inhaltliche und zeitliche Koordinierung der Unterrichtseinheiten in diesen Fächern könnte auf sehr anschauliche und begreifbare Weise deutlich gemacht werden, dass die Mathematik die verbindende Sprache zwischen diesen Disziplinen darstellt, die die Regeln und Methoden zur Handhabung der Aufgabenstellungen in den Naturwissenschaften zur Verfügung stellt.“

In dem von mir eingangs so freudig begrüßten Gespräch des Abendblattes mit Frau Professor Kaiser werden Veränderungen und Verbesserungen zum Beispiel im Hinblick auf die Anzahl der wöchentlichen Mathematikstunden, Ausbildung der Lehrer und die Methoden des Unterrichts in Aussicht gestellt. Abschließend heißt es: „Wer Schulunterricht nachhaltig verbessern will, braucht einen langem Atem.“
Wenn auch dieser Ausblick die anfängliche Euphorie des Autors dämpft, so bleibt doch die Überzeugung, dass der aufgezeichnete Weg zum Erfolg führen wird, und der Ansporn für den ABACUS-Nachhilfelehrer in MINT-Fächern, in seinem Bereich und nach seinen Möglichkeiten einen Beitrag dazu zu leisten.

Veröffentlicht von

Hensel

Prof. Dr. Wilfried Hensel, TU Berlin. 30 Jahre naturwissenschaftliche Lehrerfahrung

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