Vom überproportionalen Wachstum – wo es stattfindet und wo es fehlt.
Im Vorfeld zur diesjährigen Hannover Messe Anfang April war in den Medien unter anderem zu lesen, dass im Jahre 2011 ca. 65000 Naturwissenschaftler und Ingenieure fehlen. Vergleicht man diese Zahl mit ähnlichen Angaben aus früheren Jahren, so muss man leider konstatieren: Von Wachstum kann hier keine Rede sein.
Was die Verfügbarkeit an naturwissenschaftlich ausgebildeten Fachkräften anbetrifft, so kann der aktuelle „Schwund“ kurz- und mittelfristig nur durch erhöhtes Wachstum kompensiert werden. Zum Thema „Wachstum“ habe ich in meinem letzten Beitrag über Proportionalität und lineares Wachstum berichtet.
Es soll ergänzend gezeigt werden, dass die Natur viele Beispiele dafür bietet, dass bestimmte Zustandsgrößen mit der Potenz 2 der sie verursachenden Größe, also quadratisch anwachsen. Natürlich gibt es auch Abhängigkeiten, die eine Zunahme mit höherer Potenz, zum Beispiel mit der Potenz drei, also kubisches Verhalten aufweisen.
So nimmt zum Beispiel die Wegstrecke, die ein fallender Stein unter dem Einfluss einer konstanten Beschleunigung (Erdbeschleunigung g) zurücklegt, quadratisch mit der Fallzeit zu.
Im Fach Mathematik gehören auch in Hamburg zum Standardlehrprogramm der Schulen in Mittel- und Oberstufe Polynomfunktionen verschiedenen Grades, also die bereits erwähnten linearen Gleichungen (Geraden), die quadratischen Gleichungen (Parabeln) ebenso wie die Funktionen höheren Grades, zum Beispiel solche 3. Grades (Kubik).
Die Nutzanwendung des hier mühsam Erlernten lässt sich an einem Beispiel anschaulich demonstrieren, das immer mehr ins Bewusstsein unserer Gesellschaft und damit der Öffentlichkeit rückt. Wir befinden nun derzeit gottlob wieder in der freundlichen Halbwelle des Jahressinus (siehe mein Beitrag vom Mai 2010), die Tage werden wieder länger, Ferienzeiten nahen. Das bringt Bewegung in die Urlaubsaktivitäten. wobei zunehmend auch Ferienfreuden auf einem schönen Schiff eine Rolle spielen.
Ein Schiff im Zusammenspiel mit seinem Antriebspropeller (bei Fahrgastschiffen fast ausschließlich elektrisch angetriebene Festpropeller) ist glänzend geeignet, die Kenntnisse aus der Welt der Polynome 1., 2. und 3. Grades anzuwenden. Den kleinen Exkurs hängen wir an der Drehzahl des Propellers auf. Als Passagiere wünschen wir uns – wenn es denn losgehen soll – vordringlich, dass das Schiff fährt. Bei freier Fahrt des Schiffes im Wasser nimmt die Schiffsgeschwindigkeit proportional mit der Propellerdrehzahl zu: bei 50% Propellerdrehzahl fährt das Schiff mit halber, bei 100% mit voller Voll-Voraus-Geschwindigkeit (100% Nenngeschwindigkeit). Zwischen Schiffsgeschwindigkeit und Propellerdrehzahl gilt also ein lineares Verhalten (Grad 1).
Angetrieben wird das Schiff vom Propellerdrehmoment oder dem Propellerschub, wie die Propellerbauer sagen. In dem zuvor beschriebenen Freifahrtzustand des Schiffes wächst das Propellerdrehmoment quadratisch mit der Propellerdrehzahl.
Die Kennlinie „Drehmoment über Drehzahl“ (im Mathebuch steht: Der Graph), ist mit hinreichender Genauigkeit der im positiven Bereich liegende Ast einer Normalparabel
(Streckungsfaktor ca. 1,0). Der Propeller ist eine Wasserpumpe mit typisch quadratischer Kennlinie (Grad 2). Bei 100% Propellerdrehzahl liefert der Propeller 100% Schub, das Schiff fährt mit 100% Geschwindigkeit voraus.
Die Leistung die der Propeller dazu benötigt, das Schiff in der beschriebenen Weise anzutreiben, berechnet sich – wie die Mechaniker unter uns wissen (schneller Blick in die Aufzeichnungen aus dem Physikunterricht :-)) – als Produkt aus Drehmoment und Drehzahl.
Also steigt die vom Propeller benötigte Leistung mit der dritten Potenz der Propellerdrehzahl. Zwischen Propellerleistung und der Propellerdrehzahl besteht demnach ein kubischer Zusammenhang (Grad 3), was bedeutet, dass der Propeller bei 50% Drehzahl nur 12,5% der Leistung abfordert, die er bei 100% Drehzahl und damit bei voller Schiffsgeschwindigkeit benötigt.
Besonders attraktiv an dieser Konstellation ist, dass die Naturgesetze hier eine für das Schiff sehr nützliche Teilredundanz bieten. Denn bei Ausfall von 50% der Antriebsleistung, was durch einen schwerwiegenden Anlagenfehler an Bord durchaus möglich ist, kann das Schiff immer noch mit ca. 70% seiner Voll-Voraus-Geschwindigkeit weiter durch die Wogen gleiten (weil eben die dritte Wurzel aus 0,5 ca. 0,7 beträgt).
Die Experten des Schiff- und Anlagenbaues auf den Werften und die Betreiber bei den Reedereien haben dank Ihrer soliden naturwissenschaftlich- technischen Ausbildung diese Konstellationen natürlich üblicherweise „voll im Griff“.
Nicht sicher gestellt ist jedoch nach wie vor, dass auf der Basis der aktuellen Zahlen der Abgänger von Schulen, Hochschulen und Universitäten die Menge an verfügbaren Naturwissenschaftlern, Ingenieuren und Technikern in einem ausreichendem Maße wächst, um den dringendsten Bedarf in allen relevanten Bereichen zu decken.
Auch in Hamburg und im Kreis Pinneberg werden gute Naturwissenschaftler gebraucht. Im Zweifelsfall kann unsere professionelle Mathe Nachhilfe zu Hause weiterhelfen :-).