Der seit fünf Jahren bestehende Kinderolymp in Hamburg Altona hat mit Ausstellungen über wechselnde Themen bisher ca. 100000 Kinder angezogen. Ende August 2011 wurde eine Ausstellung zum Thema „Zahlen – Reise. Mathe macht Spaß“ angeboten. Das Schiff „Altonia“ ludt ein zu einer Reise, auf der es das Abenteuer Mathematik zu entdecken galt. Auf spielerische Weise wurde zum Beispiel vermittelt, welche Festlegungen von Maßeinheiten auf die alten Ägypter und deren Bau der Pyramiden zurückgehen, wie im alten Indien bei der Ermittlung des Gewichtes von Gegenständen vorgegangen wurde oder wie in Byzanz / Konstantinopel in grauer Vorzeit Währungen umgerechnet wurden.
Die neugierigen Besucher wurden auf interaktive Weise – unter direkter Einbeziehung in Versuche und mit vielfältigen Angeboten zum Mitmachen – im Sinne von Spiel und Unterhaltung mit Themen der Mathematik vertraut gemacht. Da ist angesichts der wenig ermunternden Ausgangssituation von Schülern hinsichtlich der dringend erforderlichen Förderung und Motivation für die MINT Fächer schon im frühen Ausbildungsstadium ein außerordentlich lobenswerter Ansatz.
Weniger erfreulich ist es dann aus meiner Sicht allerdings, wie die Tagespresse über dieses Ereignis berichtete:
„Wollen die, dass zahllose Kinder die Augen verdrehen und das Museum weitläufig meiden?“, fragt der Berichterstatter. Es wird also unterstellt, dass unsere Kinder schon durch ihr persönliches Umfeld derart vorgeprägt sind, dass sie das Thema der Ausstellung a priori als abschreckend empfinden. Schließlich zieht der Artikel das Fazit, dass die Ausstellungen des Altonaer Kinderolymps seit Bestehen eine erfolgreiche Bilanz aufweisen – „woran nicht einmal Mathe etwas ändern kann“. Immerhin dürfen wir uns darüber freuen, dass Derartiges überhaupt stattfindet und darüber in der Öffentlichkeit berichtet wird: Trotz der üblichen Negativattribute zum Thema Mathematik entsteht ein insgesamt positives Bild.
„Spaß mit Mathe“ hatten kürzlich auch Fahrgäste in einem Hamburger öffentlichen Verkehrsmittel. Auch darüber berichtete die Tagespresse. Hierbei ging es um nichts weniger als die Lösung von Gleichungssystemen mit mehreren Unbekannten. Dieses Teilgebiet der Algebra gehört zu den Lehrinhalten der Sekundarstufe I und wird nach offiziellen Lehrplänen in der Regel in der 9. Klasse behandelt.
Zunächst werden üblicherweise die klassischen Methoden der Lösung am Beispiel von linearen Gleichungssystemen mit zwei Gleichungen und zwei Unbekannten aufgezeigt und geübt. Wir erinnern uns: Abhängig von der Struktur der zu lösenden Gleichungen empfiehlt sich das Einsetzungs-, das Gleichsetzungs- oder das Additions- / Subtraktionsverfahren.
Zu einem späteren Zeitpunkt werden dann gewöhnlich auch Gleichungssysteme mit mehreren Unbekannten mit einbezogen. In der Unterrichtspraxis beschränkt sich diese Erweiterung des Stoffes jedoch zumeist auf die Lösung von drei linearen Gleichungen mit drei Unbekannten. Gelegentlich wird mit Blick auf umfangreichere Gleichungssysteme mit mehreren Unbekannten auch der Gauß-Algorithmus vorgestellt und gegebenenfalls auch an Beispielen angewendet. Diese Methode ist natürlich bestens geeignet, ein sehr komplexes Gleichungssystem mit sehr vielen Unbekannten mit Hilfe von Rechnersoftware zu lösen.
In dem zuvor geschilderten schulüblichen Rahmen der Lösung von Gleichungssystemen bietet diese Methode jedoch aus meiner Sicht keine Vorteile.
Um zu unserem „Mathe-Spaß“ im öffentlichen Nahverkehr in Hamburg zurück zu kehren: Hier hätte der Gauß-Algorithmus auch nicht geholfen. Die Fahrgäste beschäftigten sich mit einer Textaufgabe, die auf die Aufstellung von drei Gleichungen mit drei Unbekannten hinauslief. Der Aufgabensteller hatte rücksichtsvoll dafür Sorge getragen, dass zwei dieser drei Gleichungen jeweils nur zwei der drei Unbekannten enthielten, während nur die dritte alle drei Unbekannten zusammenfasste. Dadurch und durch die Vorgabe leicht erfassbarer Zahlenwerte war das Problem weitgehend „entschärft“. Es wird berichtet, dass nach einer längeren konzentrierten Stille ein beherzter Fahrgast vortrat und die Lösung zum „Staunen“ der anderen Mitfahrer bekannt gab.
Ob der Berichterstatter auch zu den Erstaunten gehörte, ist mir nicht klar geworden. Immerhin fügte er – wohl nicht ohne Häme – an, dass angeblich sogar zwei Ingenieure unter den Mitfahrenden waren, die die Lösung nicht gefunden hätten.
Ich erlaube mir, diese Bemerkung journalistisch zu werten und in diesem speziellen Falle nicht ernst zu nehmen. Vielmehr bin ich der Überzeugung, dass unsere Mathe Nachhilfeschüler in Hamburg und im Kreis Pinneberg dieses „Problemchen“ mit „links“ gelöst hätten.