Die Lehramtsstudiengänge in Schleswig-Holstein werden reformiert. Künftig werden Schwerpunkte der Lehramtsausbildung zwischen den Hochschulen des Landes klar aufgeteilt. Ebenso soll die praxisbezogene Ausbildung durch mehr Praktika einen höheren Stellenwert erhalten. Die Änderungen, laut Pressemitteilung, des Bildungsministeriums im Einzelnen:
- Der Berufsfeldbezug‚ Schule wird in allen Lehramtsstudiengängen eine größere Rolle spielen als bisher. Orientierungs- und Tages-Praktika während des Bachelor-Studiengangs werden ergänzt um ein Praxissemester im Masterstudium.
- Die Themen Heterogenität und Inklusion sollen in allen Lehramtsstudiengängen fest verankert werden.
- An der Universität Kiel werden die fachdidaktischen und pädagogischen Studienanteile zukünftig einen prominenteren Raum als bisher einnehmen.
- An der Universität Flensburg wird es im Rahmen der Sekundarlehrerinnen- und Sekundarlehrerausbildung eingeschränkte Wahlmöglichkeiten geben. Für den gesamten Sekundarbereich I und II (E-Q2) können nur noch die Unterrichtsfächer Deutsch, Mathematik, Englisch, Spanisch, Dänisch, Geschichte und Wirtschaft / Politik „durchstudiert“ werden, alle übrigen Studienfächer nur noch für die Unterrichtstätigkeit in der Sekundarstufe I.
- Die Uni Flensburg wird mit einer eigenständigen, zehnsemestrigen Ausbildung für Grundschullehrkräfte beginnen. Dieser umfasst Fachwissen in den Bereichen Diagnostik, individuelle Förderung, Deutsch als Zweitsprache und Umgang mit den Medien. Zudem ist sichergestellt, dass zukünftig alle Grundschullehrkräfte Basisqualifikationen in den Unterrichtsfächern Deutsch und Mathematik erwerben.
- Die Uni’s Flensburg und Kiel erkennen wechselseitig ihre BA-Abschlüsse an (was bisher trotz Bologna wohl nicht der Fall war…)
Ein Schritt in die richtige Richtung ist sicherlich unter anderem eine bessere Ressourcen-Effizienz an den jeweiligen Hochschulen, die mit einer solchen Schwerpunktsetzung zwangsweise einhergeht. Von einer wirklichen Reform der Lehramtsausbildung, ausgerichtet an heutigen – weit über das methodische und didaktische Ausrichten eines Unterrichtsfaches hinausgehende – Praxisanforderungen an Schulen, kann hier wohl noch keine Rede sein.
Nach wie vor soll die fachtheoretische Ausrichtung des Studiums auf ein Haupt- und Nebenfach, den Schwerpunkt der terziären Ausbildungsgänge bilden. Wie der „Berufsfeldbezug Schule“ eine „größere Rolle“ spielen soll, ist noch zu definieren…
Finnland als ein „PISA-Primus“, wohin zumindest die deutschen Politiker immer gerne schauen, gestaltet die Lehramtsausbildung ohnehin völlig anders: Die Aufteilung zwischen fachbezogener und pädagogischer Ausbildung liegt hier bei 1/5 zu 4/5! Wie hat es der „Oberpädagoge“ der Finnen Matti Meri im DIE ZEIT-Interview schon 2007 so treffend formuliert: „Wir brauchen keine Lehrer, die wunderbar Flöte spielen können. Sondern Lehrer, die sich fragen: Wie erreiche ich es, dass Kinder gerne Flöte spielen?“
Unterrichtspraxis erwerben die finnischen angehenden Lehrer und Lehrerinnen schon vor und von Beginn des Studiums an: An den Universitäten fest angegliederten Praxisschulen („Normaalikoulu“).
Die akademische Lehrerausbildung in Finnland ist somit stark angelehnt an das erfolgreiche deutsche berufliche duale Ausbildungssystem. Somit wird eine (zu starke) Diskrepanz zwischen (rein) wissenschaftstheoretischer pädagogischer Ausbildung und Praxisorientierung vermieden und nicht an tatsächlichen gesellschaftlichen Anforderungen vorbei ausgebildet. Diese Praxisschulen („Teacher Training Schools“) kooperieren eng mit den Universitäten und ständige Evaluation der Junglehrer ist Programm: Zum Beispiel sind permanente Videoanalysen von Unterrichtsproben im Studium Bewertungskriterien. Die LuL-Ausbildung in Finnland nimmt Pädagogik im Studium so zunächst phänomenologisch und empirisch wahr, von Erkenntnisinteresse geleitet und nicht rein normativ / technisch.
Sich von Hochschule zu Hochschule unterscheidende Lehrer-Studiengänge gibt es in Finnland so nicht: Durch ein zentralisiertes Bildungssystem ist auch die universitäre Lehrer-Ausbildung der finnischen Hochschulen angeglichen. Übrigens auch analog zum deutschen dualen Ausbildungssystem, die Ausbildungspläne der einzelnen Berufsbilder sind identisch in jedem Bundesland: Hier soll der Auszubildende in Bayern genau das Gleiche wie der Auszubildende in Hamburg lernen. In jedem technisch und kaufmännisch-gewerblichen Ausbildungsberuf….
Ein Klassenlehrer in Finnland muss auch „breitspurig“ ausgebildet sein, zum Beispiel alle Schulfächer bis einschließlich Klasse 6 studieren. Finnland nimmt nur die besten Abiturienten für den Lehrberuf, nur 10% der Bewerber werden überhaupt zugelassen. Der finnische Lehrer wird nicht verbeamtet, sondern kann auch entlassen werden und darüber hinaus – natürlich – leistungsbezogen bezahlt.
Weitere Unterschiede zu Deutschland hatten wir schon mal in unserem Blog-Artikel „News zu Finnlands Schulen“ gelistet, einen schönen Vergleich der Schulsysteme Finnland-Schleswig-Holstein unter Einbeziehung demoskopischer Daten hat H. Thoman von der Uni Flensburg schon 2009 einmal zusammengetragen.
Zusammenfassend gibt es nach wie vor signifikante Unterschiede zwischen der Lehramtsausbildung in Finnland und Deutschland:
- Interdisziplinarität statt stark fächerfokussierter Ausrichtung
- Breite Praxisorientierung und Verzahnung Uni zu Schule und damit bessere Rückkoppelungen und Anwendungsbezogenheit durch „duale“ Studiengänge
- Egalisierung der der Lehramtsausbildung durch landeseinheitliches zentralisiertes Bildungswesen in Finnland versus individualisierter Studiengänge in Deutschland
- Die Auswahl der (geeigneten) späteren LuL liegt vor Antritt des Studium, in Deutschland erst nach Abschluss des Studiums und erfolgreich abgeschlossenem Vorbereitungsdienst.