Die ABC-Schützen des Jahres 2011 haben in Hamburg ihren bisher ernstesten Lebensabschnitt mit der Schule begonnen. Bislang prägte sich der Alltag durch Kindergartenspiele und Freizeitgestaltungen in unterschiedlichen sozialen Räumen mit Freunden und Vereinskollegen. Doch jetzt beginnt der Ernst des Lebens und die Kids werden ans Lernen herangeführt. Es stellt sich für viele Eltern die Frage: Ganztagsschule ja oder nein?
In Hamburg bieten fast alle Schulen den Eltern die Möglichkeit, ihre Kinder in die Ganztagsschule bis 16:00 Uhr zu geben, um zum einen ihrer Arbeit nachgehen zu können und zum anderen den Kindern die Möglichkeit zu bieten, einen geregelten Tagesablauf inklusive Mittagessen, Hausaufgabenzeit und geordnete Freizeitgestaltung zu erhalten.
So nehmen die Kinder nach der regulären Schulzeit am (kostenpflichtigen) Kantinen-Mittagessen teil, erledigen dann Hausaufgaben in Gruppen um danach an etwaigen Arbeitsgruppen beziehungsweise Spielgruppen teilnehmen. Diese Ganztagsbetreuung kostet auch in Hamburg natürlich extra. Hier müssen sich die Eltern zuvor an den Schulen informieren, welche Betreuungsmaßnahmen angeboten werden, wer die entsprechenden Träger sind und inwieweit welche Extrakosten anfallen.
Dies birgt die Vorteile, dass die Kinder von montags bis freitags unter immer den gleichen Schulkollegen im immer gleichen Sozialgefüge einen geregelten Tagesablauf trotz abwesender (berufstätiger) Eltern genießen. Um 16.00 Uhr ist die Betreuungszeit dann vorbei und die Kinder gehen nach Hause.
Diese Vorgehensweise zählt ebenso viele Vorteile wie auch Nachteile, über die wir hier im Blog auch schon geschrieben haben – und jede Familie muss für sich und das Kind individuell entscheiden, ob die Ganztagsbetreuung das Richtige ist oder nicht.
Die Vorteile einer Ganztagsschule auf einen Blick
Selbstverständlich haben die Eltern, insbesondere die Mütter, dank der Ganztagsschulen die Möglichkeit, in der Zeit von 7.00 Uhr bis (zumeist) 16.30 Uhr einer beruflichen Tätigkeit oder sonstigen Aktivitäten ohne Erziehungsverpflichtung nachzugehen.
Des Weiteren erhält das Kind jeden Mittag ein – hoffentlich nahrhaftes – Mittagessen und isst zusammen mit seinen Mitschülern. Danach, in der Regel von 14.00 Uhr bis 15.00 Uhr findet die Hausaufgabenzeit statt. In dieser Zeit steht in Hamburg mehr oder weniger kompetentes Betreuungspersonal für Fragen zu den Hausaufgaben zur Verfügung, so dass die Kinder auch hier eine Aufsicht erfahren.
Nach der Hausaufgabenzeit finden in den Ganztagsschulen organisierte Kursangebote bis zum Ende der Betreuungszeit statt. So können die Kinder je nach Alter an Bastelkursen, Kochkursen, Sportkursen etc. teilnehmen und sich entsprechend betätigen. Gerade dieser Punkt hebt sich als Vorteil sehr hervor, denn die Kids können spielerisch in einer Arbeitsgemeinschaft sowohl soziales Verhalten als auch kochen, turnen oder Sonstiges erlernen.
Insgesamt liegt der Vorteil auch darin, dass die Kinder nach der Schule nicht „herumgammeln“, sondern einem geregelten Tagesablauf folgen.
Ab 16.00 Uhr (oder später, je nach Schule) sind die Kinder dann zu Hause und verbringen den Nachmittag mit Freunden oder der Familie. Die Eltern brauchen sich indes nicht mehr darum kümmern, dass die Kinder ihre Hausaufgaben machen. Ein Blick auf die Vollständigkeit und Richtigkeit derselben und selbstverständlich zur eigenen Information der erlernten Schulinhalte, reicht im Normalfall aus.
Die Nachteile einer Ganztagsschule auf einen Blick
„Heutzutage ist alles anders!“ Das spiegelt sich auch in der Ganztagsbetreuung wieder. Denn so individuell die moderne Zeit, so individuell sind auch die Kinder. Es gibt Kinder, die Schwierigkeiten in der Schule haben und auch während der Hausaufgabenzeit wenig Kontrolle über ihr Wissen haben. Da das Betreuungspersonal eher als Aufsichtspersonen und Unterstützung anzusehen ist, nicht jedoch als Nachhilfelehrer (es sei denn, ein entsprechender Lehrer nimmt an der Hausaufgabenzeit teil), sind die Kinder während dieser Zeit relativ auf sich selbst gestellt. Oftmals ergibt es sich, dass die Eltern am späteren Nachmittag ohnehin die Hausaufgaben mit den Kids durchgehen oder für die nächste Mathe-Arbeit üben müssen, so dass doch keine Zeitersparnis durch die Ganztagsschule erreicht wird…
Ein weiterer relevanter Punkt ist die Zeit, die der Familie als Familie fehlt. Wenn die Kinder bis 16.30 Uhr oder länger in der Schule sind, bleibt nur noch wenig Zeit für die gemeinsamen Stunden als Familie oder für individuelle Freizeitgestaltung übrig. Nur die Wochenenden geben die Zeit, auch Familienunternehmungen vorzunehmen.
Ebenfalls gibt es viele Kinder, denen die Ganztagsschule Stress bringt. 8 Stunden täglich in der Schule zu sein, und das schon in der ersten Klasse, ruft bei vielen Kindern psychischen Stress hervor, der natürlich ebenfalls nicht zu verachten ist.
Zuletzt steht noch der Kostenfaktor im Raume. Ganztagsschulen erfordern in der Regel einen Elternbeitrag, ebenso das tägliche Mittagessen, welches locker mal zwischen 2,00 € und 6,00 € liegen kann. Ebenso können Freizeitangebote von externen Trägern an einer gebundenen Ganztagsschule zusätzliche Kosten erfordern. So spielt auch die finanzielle Tragkraft eine große Rolle, ob Eltern ihre Kinder zur Ganztagsschule anmelden können oder nicht.
Die Entscheidung liegt bei den Eltern
Die Entscheidung, ob das Schulkind in eine Ganztagsschule gehen soll, liegt in Hamburg nur noch zum Teil bei den Eltern. Und manchmal läßt die eigene, persönliche Situation, zum Beispiel von Alleinerziehenden, häufig auch keine freie Wahl zu. Jedes Kind und jede Familiensituation ist natürlich immer individuell zu betrachten.
Bei manchen Kindern (oder deren Eltern?) ist es einfach besser, diese solange wie möglich in einer Fremdbetreuung zu belassen. Beispielsweise dann, wenn die Kinder soziale Probleme Probleme haben oder eine eigene, individuelle, sinnvolle Freizeitgestaltung unter elterlicher Lenkung und Aufsicht nicht möglich ist.
Denn es muss auch berücksichtigt werden, dass die Eltern während der Hausaufgaben zu Hause dann gelegentlich als „Nachhilfelehrer“ fungieren und dementsprechend in der Lage sein sollten, bei der Lösung der Aufgabenstellungen behilflich sein zu können. Gegebenenfalls muss hier auch mal die externe, professionelle Mathe Nachhilfe zu Hause angefordert werden :-).
Auch müssen Eltern sonst für Freizeitgestaltung der Kinder selber Sorge tragen, musische oder sportliche Anregungen selber zu setzen, die Kinder nach den Hausaufgaben mal zum Reiten oder zum Sportraining bringen oder vom Freund, der Freundin abholen.
Abschließend stellt sich die Frage, ob Mütter / Eltern sich nicht auf die Rolle der gesellschaftlichen Gebährmaschine reduzieren lassen, wenn die Kinder mit 2 Jahren in die Kinderkrippe, später in die KiTa, dann in die Ganztagsschule „abgeschoben“ und letztendlich ihre gesamte Kindheit ganztägig fremdbetreut verbringen… Wird der Erziehungsauftrag, der auch bei den Eltern liegt, so noch von den Eltern wahrgenommen?
Letztendlich bestimmt dann doch der Staat, das Bundesland und die dort herrschende und alle 4-5 Jahre wechselnde Parteinpolitik durch die Gestaltung des einheitlichen schulischen Ganztagsangebotes über die vermittelten Normen und Werte, die soziale Kindeserziehung und die Freizeitgestaltung. Das politische Ziel, die Lufthoheit über den Kinderbetten zu erobern, ist damit zumindest in Hamburg, dann fast erreicht.
3 Gedanken zu „Ganztagsschule in Hamburg ja oder nein“