Gestern hat die Bundesregierung mit viel Tam-Tam ihr Strategiepapier zur Digitalisierung der Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland vorgestellt. Wer hier allerdings gerade im Bereich Primar- und Sekundarbildung Konkretisierungen und Maßnahmen erwartet hat, sah sich wohl eher enttäuscht. Zwar wird im dem fast 40-seitigen Pamphlet folgerichtig festgestellt, dass der digitale Wandel alle Bereiche der Gesellschaft erfasst hat, konkreter Handlungsbedarf besteht und die Bundesregierung diesen gesellschaftlichen Wandel auch „aktiv begleiten“ möchte (S. 2), gerade um die positiven Chancen aus der Digitalisierung nutzen zu können.
Konkret oder gar visionär ist das Papier jedoch nicht, wie auch die ZEIT heute feststellt. Der Digitalmedien-Affine mag wohlwollend zur Kenntnis nehmen, dass einige Problembereiche und Handlungsfelder benannt wurden, dass Risikobereiche besser gesichert und Netz-Infrastrukturdefizite behoben werden sollen.
Aber wohl jeder Unternehmensberater der freien Wirtschaft würde zu einer verbesserungswürdigen Betriebssituation mehr abliefern als eine Status-quo-Beschreibung. Aus der folgt dann üblicherweise eine Ist-Analyse und daraus entsteht die Soll-Konzeption mit konkretem (!) Maßnahmenkatalog und ensprechenden Umsetzungs-Zeitfenstern und Zielvorgaben.
Es liegt in der Natur der Sache, dass der Nachhilfe-News-Blog primär die Medienkompetenz bei Kindern, Schülerinnen und Schülern in den Fokus seiner Betrachtung stellen möchte und hat die Agenda der Regierung speziell hierauf mal „durchforstet“.
Nun, der Begriff „Bildung“ taucht auf 34 Seiten immerhin 36-mal auf. Sogar mit eigenem Gliederungspunkt (S. 27ff.), bleibt aber seltsam unspezifisch. Inflationäre Verwendung, aber ohne konkrete Definition oder Ausfüllungen eines gesellschaftlichen Bildungsbegriffes und auch nicht wirklich im Zusammenhang von Schule und gesellschaftlicher Bildung.
Auch stimmt es bei der Häufigkeit des Bildungsbegriffes verwunderlich, dass das Ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hier offensichtlich bei der Erstellung der Digitalen Agenda 2014 nicht beteiligt war. Als „Autoren“ gelten die Ministerien für Wirtschaft, für Verkehr und das Innenministerium…
Der Begriff „Schule“ – signifikant als gesellschaftliche Bildungsschmiede – taucht dagegen nur ganze vier mal auf und bleibt genau wie der Begriff „Familie“ (wird 15-mal gebraucht) seltsam unkonkret:
- Die „Medienerziehung in Familien“ soll „unterstützt werden“ (S. 23). Und wie?
- „Grundlage für (digitale) Teilhabe unserer Kinder soll in der Ausbildung geschaffen werden“ (S. 3). Erst in der Ausbildung?
- Mit dem Förderprogramm „Digitale Medien in der beruflichen Bildung“ soll Digitalisierung der Weiterbildung gesteigert werden (S. 28). Nur und erst in der beruflichen Bildung?
- Eine „leistungsfähige digitale Infrastruktur wird in Bildungsformen wie Schule und Hochschule benötigt“ (S. 10). Nö, echt?
Immerhin ist eine „ausgewogene Medienbildung in allen Bildungsbereichen“ erklärtes Ziel (S. 6) 😉
Ein Wissenschaftler würde sich bei der vorgelegten Agenda vermutlich u.a. fragen: Sind Formal- und Materialobjekt definiert und abgegrenzt, sind methodologische Strukturen und nachvollziehbare Konklusionen klar herausgearbeitet und erkennbar?
Für ein so hochaktuelles Thema, an dem auch mit unser aller Wohlstand und die wirtschaftliche Prosperität unserer Ökonomie hängt, welches signifikant basale Kommunikationsstrukturen unseres Kulturprogrammes in rasendem Tempo neu gestaltet, hätten wir uns vom Kabinett einer (noch!) globalen Wirtschaftsmacht sicher mehr gewünscht als nur diese 36 Seiten. Da werden wir mit Horaz glatt mal lyrisch: „Parturient montes, nascetur ridiculus mus.“ 😉
Na, mal schauen. Vielleicht kommt ja was nach, die Hoffnung stirbt bekanntermaßen zuletzt…
Die Digitale Agenda 2014 der Bundesregierung hier zum Selberlesen.