diese Woche wurde eine weitere Studie der Öffentlichkeit vorgestellt, die sich mit Schule und den Zusammenhängen zwischen Bildung und Elternhaus beschäftigt. Das Institut Allensbach hat im Auftrag der Vodafone-Stiftung 1.804 Personen ab 16 Jahren, darunter Lehrer, Eltern und Schüler zum Themenkreis Schule und Bildung interviewt und die Ergebnisse am 24.04.2013 veröffentlicht. Die Allensbach-Umfrage liefert ein buntes Potpourri des Schulalltages in Deutschland. Im Prinzip nichts, was der „Bildungsnerd“ nicht schon wusste und im Wesentlichen werden in Teilen die Ergebnisse der Studien“ Visible Learning“ und „Eltern, Lehrer, Schulerfolg“ bestätigt, mit denen wir uns hier im Blog schon auseinandergesetzt haben.
Die Studie „Hindernis Herkunft“ benennt allerdings deutlich, dass (auch) Defizite im Elternhaus eine Hauptursache für schlechtere Schulchancen von Kindern sind: Fehlende Beschäftigung mit den eigenen Kindern, Erziehungsmängel und fehlende Vorbildfunktion der Eltern werden von befragten Schülern, Eltern und Lehrern gleichermaßen als Ursachen genannt und betreffen natürlich stärker die sozial schwächeren Bevölkerungsschichten.
Da wundert man sich wohl nicht mehr, dass die „Bildungsschere“ – trotz aller Schul- und Lehrer Engagements und Zusatz-, Extra- und Förderstunden an Schulen sich immer weiter öffnet, denn Kindererziehung kostet Eltern schlicht Geld. Entweder durch die Inanspruchnahme von „Zusatzleistungen“, wie Sportverein, Klavierunterricht, Theaterbesuche, Reisen etc. oder durch Einkommensverzicht, weil ein Elternteil – zumindest teilweise – auf eine Vollzeitbeschäftigung verzichtet.
Die aktuellen Untersuchungen, Studien und Umfragen zur schulischen Bildung deuten darauf hin, dass die „Schulreformitis“ der letzten Jahre in Deutschland wenig effektiv war / ist, dass pädagogische Spielarten wie Klassengrößen, offener oder jahrgangsübergreifender Unterrricht oder die Schulart eine eher untergeordnete Rolle spielen und melden Handlungsbedarfe an, zum Beispiel mahnen sie zu einem Mehr:
- Mehr Engagement und individuelle Interaktion der LuL’s (wer SuS sagt, der muss auch LuL sagen ;-)) mit dem Schüler
- Mehr fachlich kompetenten, direkten und anleitenden lehrerzentrierten Unterricht, der Basiswissen bei den SuS heraus bildet
- Mehr Erziehung, Engagement und schulische Anteilnahme von Eltern für ihre Kinder
John Hattie hat in seinen Untersuchungen festgestellt, dass sich signifikante Lernerfolge von SuS gerade im Unterricht mit engagierten LuL, die den Schülern individuelle Leistungsrückmeldungen geben, einstellen.
Was eine ideale Schule nach Meinung der hier befragten Eltern und Lehrer ausmacht? Hochgradig engagierte Lehrer, die auch noch fachlich gut ausgebildet sind. Das ist sicher nicht an jeder Schule und in jeder Klasse so, denn häufig unterrichten Lehrer in Hamburg fachfremd und nicht in Ihren Studienfächern.
Das kann für Schülerinnen und Schüler (SuS) zum Problem werden, wenn nach Lernfeldern – wie zum Beispiel in Hamburg üblich – unterrichtet wird und letztendlich bei den SuS Kompetenzen gelegt werden sollen. Hier ist ein Fachstudium oder eine langjährige praktische Erfahrung der Pädagogen schon hilfreich. Kompetenzen können sich bei SuS – logischerweise – erst entwickeln, wenn das Basiswissen in gewisser Breite in einem Schulfach gefestigt vorhanden ist. Ein Haus wird auch nicht im ersten Stock gebaut. Es braucht ein Fundament.
Elterliche (!) Erziehung, Lernanregungen für die eigenen Kinder und schulische Anteilnahme sind Schlüsselfaktoren für den Schulerfolg von Kindern, ergibt auch die neue Studie „Hindernis Herkunft“ von Allensbach und mahnt unter anderem an, Eltern wieder mehr gesellschaftlich in eine Erziehungspflicht zu nehmen.
Hier offenbart sich eine gesellschaftliche Dilemmastruktur: Einerseits das öffentliche (Fremd-) Betreuungsangebot, andererseits das (sicher auch partiell berechtigte) Einfordern elterlicher Erziehungskompetenzen und die (für Eltern zeitintensive und kostenpflichtige) Bereitstellung von Bildungsressourcen im Sinne einer ganzheitlichen humanistischen Lebensbildung der Kinder.
Deutschland hat natürlich unstreitig ein „Nachwuchsproblem“: Zu wenig Kinder werden hierzulande geboren, gerade im sogenannten „Bildungsbürgertum“ (vgl. destatis.de). Die Folge: Politik versucht, die Geburtenrate „anzukurbeln“ mit unter anderem Steuererleichterungen, Elterngeld und Ganztagsbetreuung.
Die Wirtschaft fordert die in Deutschland lebenden, gut ausgebildeten Frauen ebenso wie die Männer für den Arbeitsmarkt ein, an dem Fachkräftemangel herrscht, honoriert aber auf der anderen Seite gesellschaftlich das „Zu Hause bleiben“ von Eltern zwecks Kindererziehung nicht im augenscheinlich notwendigen Maß. Die Bildungspolitik suggeriert zum Ausgleich durch das Angebot der Ganztagsbetreuung an KiTa’s und Schulen den Eltern kompetente pädagogische Unterstützung und eine Entlastung in der Erziehungsarbeit, während Mami und Papi am wirtschaftlichen Wertschöpfungsprozess teilnehmen. Allenthalben hört man aus Politikermund, dass eine Ganztagsbetreuung „gut“ sei für Kinder und Familien. Offensichtlich ist das aber nur die eine Seite der Medaille und muss von Allen differenzierter wahrgenommen werden. Auch Kindererziehung ist ein volkswirtschaftlich relevanter Produktionsfaktor!
Berücksichtigt wurde von der Politik offensichtlich bis dato nicht ausreichend, dass elterliche Erziehungsleistung vor allem Eines kostet: Zeit. Der Tag hat aber nur 24 Stunden. Die Hauptlast einer Kindererziehung (Legen und Fördern von Neigungen, Normen, Werten und Regeln) liegt jedoch primär bei den Erziehungsberechtigten und ist heute ungleich umfänglicher als noch zu unserer Eltern Zeiten (die sich noch nicht zum Beispiel mit der Ausregelung neuer Medien auseinander setzen mussten…). Es ist dann auch ein Unterschied, ob Schüler um 14:00 Uhr oder erst um 17:00 Uhr nach Hause kommen und ob beide Elternteile arbeiten oder ein Elternteil nicht.
Ob hier die alleine die Ausweitung einer staatlichen Betreuung der Schülerinnen und Schüler der gesellschaftlichen Weisheit letzter Schluss ist?
Die Studie für den Original-Quellen-Liebhaber gibt’s hier.
Ein Gedanke zu „Bildungsstudie „Hindernis Herkunft“ von Allensbach“