Unsere Kinder sollen an den Schulen ja etwas lernen. Bestimmen tun hierüber die jeweiligen Bildungsministerien und in der Umsetzung dann die einzelnen Schulen und die jeweiligen Lehrer und Lehrerinnen. Sicher wird es immer und zu jeder Zeit in Gesellschaften eine Diversion in dem geben, was da denn nun gelernt werden soll und auch wie. Davon „lebt“ die Schulpädagogik in einer (Bildungs-) Gesellschaft: Es ist ein ständiger Kampf zwischen jeweiligen Vorstellungen, Normen, wirtschaftlichen und ethischen Ansprüchen der Beteiligten an der Erziehung und Heranbildung von Kindern. Eine Kulturgesellschaft ist kein statisches Gebilde, sondern ist eher als blubbernde Blase wahrzunehmen, die – scheinbar – ungesteuert mal in die eine, dann wieder in die andere Ecke der eigenen Existenz schwabbelt…
Unstrittig bleibt eigentlich in jeder Phase nur stets das determinierende „Das“ der irgendwie notwendigen Bildung, das „was“ und „wie“ ist immer wie in einem Kulturkampf höchst strittig. In diesem Kampf wird – gelegentlich auch nach Regeln – mit Begriffen wie „Bildung“, „Erziehung“, „Wissen“, „Lernen“ und seit einiger Zeit auch mit „Kompetenzerwerb“ wild um sich geschlagen.
Wir versuchen mal eine „Aufdröselung“, obwohl es für alle diese Begriffe mehrere, parziell sehr komplexe wissenschaftliche Inhaltsdeutungen gibt:
Für die Beschreibung des Begriffes „Bildung“ bedienen wir uns einiger Äußerungen von Werner Sesink aus seiner Vorlesung zur Bildungstheorie an der TUD im SS 2006: „Bildung bezeichnet eine Qualität von Entwicklung, die zum Menschsein und zur Selbstbestimmung gehört„. Bildung hat also immer fremd- und selbstbestimmende Elemente, denn der Drang zur Bildung des Einzelnen setzt natürlich günstige, von der Gesellschaft vorgegebene Rahmenbedingungen voraus. Und zum „Menschsein“, zum Humanismus gehört untrennbar das selbstbestimmende, individuelle Element, die „subjektivitätskonstituive Bedeutung von Bildung„.
Dadurch, dass Gesellschaft sich ständig wandelt und verändert, ist eine dogmatische, feststehende Definition von Bildung auch nicht möglich. Das ist auch gut so… Früher galt ja schon als gebildet, wer rudimentär lesen und schreiben konnte, die Beherrschung des Latein und Altgriechisch in Wort und Schrift wiesen im Mittelalter den Hochgebildeten aus. Heute ist die C2-Professur auch ohne altphilologische Kenntnisse durchaus möglich 😉
Erziehung: Schulisch betrachtet ist die Definition aus Wikipedia durchaus ausreichend: „Unter Erziehung versteht man die von Erziehungsnormen geleitete Einübung von Kindern und Jugendlichen in diejenigen körperlichen, emotionalen, charakterlichen, sozialen, intellektuellen und lebenspraktischen Kompetenzen (= Fähigkeiten), die in einer gegebenen Kultur bei allen Menschen vorausgesetzt werden.“ Die Subsumtion ist daher: Erziehung ist IMMER „pädagogisch fremdbestimmt“, also Zwang (!). Im Gegensatz zur Bildung. Fast also schon eine Polarität zwischen Erziehung und Bildung…
Wissen: Das könnte man norddeutsch platt für schulische Zwecke als „Kenntnis von etwas haben“ sehen, was aber so nach heutigen gesellschaftlichen Ansprüchen zu dünn ist: „verstehende, gerechtfertigte und kontexktuive Kenntnis von etwas haben“ trifft es da eher: Das Lexikon auswendig zu können, hilft zwar, langt aber nicht. Die SuS müssen dieses Wissen auch noch anwenden können. Wissensanspruch schulisch gesehen ist also: Informationen und Inhalte in einen Zusammenhang zu bringen, der individuelle Nutzung vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Anforderungen möglich macht. Nicht nur Kumulation, auch die Kombinatorik macht Kenntnisinhalte erst zu Wissen.
Lernen: Trivial und eindimensional: Vorgang der Ansammlung von Wissen. Präziser formuliert von Guy Lefrancois schon 1972: „Lernen ist die Verhaltensänderung auf Grund von Erfahrung„. Lernen hat also nicht nur etwas mit mit Wissensanhäufung zu tun, sondern auch mit der eigenen Entwicklung, der Sozialisation innerhalb der Gesellschaft und auch mit Selbstreflektion von Schülern zu tun, um eine wert- und sinnstiftende Teilhabe überhaupt erst möglich zu machen.
Kompetenz: Hier trifft – in der lateinischen Ursprungsbedeutung – im wahrsten Sinne des Wortes etwas zusammen, nämlich einfach formuliert alles oben Beschriebene. Nach „Wolle“ Klafki also zusammengefasst „alle Fähigkeiten und Fertigkeiten, in (bestimmten) Fach- und Wissensgebieten Probleme zu lösen„. Also angehäuftes Wissen nicht nur haben, sondern analytisch verstehen und – vor allem – auch anwenden zu können.
Was auch erklärt, warum heute Bildungspläne (ehem. Lehrpläne) und Curricula (Unterrichts-Handlungsumsetzungen) von „Kompetenzen“ geradezu wimmeln. Normativ ist der Begriff „Kompetenz zwar nach Weinert nicht eindeutig definiert (logo, denn Ansprüche und Inhalte ändern sich ja dauernd mit den jeweiligen Anforderungen in einer sich verändernden Gesellschaft), aber die Meta-Ebene, das Ziel ist sicher richtig und beständig wichtig.
Exkurs: Zum Erreichen dieser Kompetenz-Ziele sind übrigens Hausaufgaben ein probates und pädagogisch angeratenes Mittel zum Zweck. Wie heißt es so schön im aktuellen Bildungsplan Deutsch für die Stadtteilschulen in Hamburg auf Seite 6.:
„Hausaufgaben stellen eine sinnvolle Ergänzung des Lernens im Unterricht dar und dienen der individuellen Vorbereitung, Einübung und Vertiefung unterrichtlicher Inhalte. Dies setzt zum einen voraus, dass Schülerinnen und Schüler die Aufgaben in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht selbstständig, also insbesondere ohne häusliche Hilfestellung, erledigen können. Zum anderen müssen sich die zu erledigenden Aufgaben aus dem Unterricht ergeben, die erledigten Hausaufgaben wieder in den Unterricht eingebunden werden.“
Wir erwähnen das hier nur nochmals, weil in manchen FB-Bildungs-Diskussionsgruppen das Thema Hausaufgaben kontrovers diskutiert wird. Nun ja…
back to Thema:
Die Crux zum Thema „Kompetenzerwerb“ des einzelnen Schülers liegt im Detail:
Früher waren Lehrpläne, deren fachlichen Inhalte und Unterrichtsunterlagen in jedem Schulfach vereinheitlicht und durchaus bis ins kleinste Detail ausdifferenziert. Lehrmaterial war bundeslandeinheitlich vorgegeben: Jeder Schüler benutzte das gleiche Lehrbuch, jeder Pädagoge behandelte im Englisch-Unterricht in der gleichen Klassenstufe für eine vorgegebene Zeitspanne z.B. das Thema „If-clauses“.
Heute liegt die Verantwortung der Umsetzung der Lehr- bzw. Bildungsplänen bei den einzelnen Schulen und deren Lehrkräften: Jede Schule entwickelt eigene, individuelle Curricula zur Umsetzung der jeweiligen Fach-Lehrpläne. Das natürlich entsprechend der Klientel im Einzugsgebiet der Schule. Ob sich so einheitliche Bildungs- und Qualitätsstandards gleichermaßen für alle Schüler realisieren lassen, wäre hier die Frage.
Natürlich „führen viele Wege nach Rom“. Am Ende steht jedoch immer die Leistungsabprüfung der entsprechend erworbenen Kompetenzen in den einzelnen Fächern in Form des Grundlegenden, Mittleren oder Erweiterten Bildungsabschlusses nach vorgegebenen, (hoffentlich) einheitlichen Bildungsvorgaben.
Diese einheitlichen Bildungsvorgaben zu überprüfen, setzt jedoch deren Zentralisierung voraus, sowohl die Aufgabenstellung als auch deren Bewertung und Korrektur. Alles andere wäre Augenwischerei, führt zwar zu hohen Abschluss- und Abiturquoten, aber nicht unbedingt zu bundesland-gleicher Allgemeinbildung, zu einheitlichen, miteinander vergleichbaren Qualifikationen für den weiteren Lebensweg der SuS.
4 Gedanken zu „Bildung in der Schule. Was und wie?“