so lautet der Titel einer neuen, gestern in Berlin vorgestellten Studie im Auftrag des Bundesfamilien- und Jugendministeriums und der Konrad-Adenauer-Stiftung, die den Schulalltag aus der Sicht von Eltern und Lehrer beleuchten und deren Wahrnehmungen in Bezug auf die Bildungssituation und den schulischen Lernerfolg wiedergeben. Hierzu wurden auf Basis der DELTA-Milieus, die eine soziodemografische Unterteilung der Bevölkerung ermöglichen (DELTA-Milieus sind eine Weiterentwicklung der bekannten Sinus-Milieus, welche eine noch feinere Auffächerung der Gruppierungen zulassen), 255 ausführliche Interviews mit Eltern und Lehrern aus allen Schichten geführt und zusätzlich Teilstichproben von 2.788 Eltern mit mindestens einem Kind in der Sekundarstufe I und 623 Lehrer und Lehrerinnen herangezogen. Ebenfalls flossen Daten aus dem Mikrozensus (destatis.de) in die Auswertungen ein.
Die Studie stellt einen guten „Wasserstandsanzeiger“ der Schulsituation in Deutschland dar und gibt Aufschluss darüber, wie Schulalltag und Schulkultur von Lehrern und Eltern (Müttern) subjektiv wahrgenommen wird.
Die Ergebnisse zeigen nach Meinung des Nachhilfe News Blogs einen gewissen bildungspolitischen Handlungsbedarf auf.
Einige Kernaussagen:
Die schulpolitische „Reformitis“ der Post-PISA-Ära wird eher als bildungspolitische Orientierungslosigkeit wahrgenommen. Insbesonders die Lehrer-Innen klagen, dass die angestoßenen Schulreformen offensichtlich praxisfern „am grünen Tisch“ entstanden und keine Lösung zur Bewältigung des Schulalltages liefern, sondern – im Gegenteil – eher das Lernen belasten (S. 17 der Zusammenfassung).
Eltern aller Milieus nehmen zunehmend die Wichtigkeit guter Schulabschlüsse für den weiteren Lebensweg ihrer Kinder wahr und fühlen sich auch für den Schulerfolg ihrer Kinder mehr und mehr mit verantwortlich. Hier hat PISA gewirkt.
Gleichzeitig sehen aber viele Eltern ihre Ansprüche an Schule nicht erfüllt: Schule soll zwar fordern und fördern, Eltern wünschen sich aber unter anderem eine sozial homogene Schule. Die Abgrenzung von Randgruppen und zu Schülern nichtdeutscher Herkunft ist vor allem für Eltern aus dem Milieu der modernen Unterschicht wichtig (S. 4 der Zusammenfassung).
Eltern wünschen sich eine individuelle Förderung auch der Persönlichkeit Ihres Kindes, andererseits entfaltet Schule aber einen hohen, normierten Leistungsdruck, welcher im Widerspruch zu den Hedonismus-Betrebungen der Eltern steht, den eigenen Kindern eine möglichst unbeschwerte, glückliche Kindheit zu ermöglichen. (S. 5 der Zusammenfassung).
Viele Eltern stehen dem schulischen Leistungsgedanken skeptisch gegenüber, da sie eine „einseitige Leistungsideologie“ befürchten und nehmen die Schule nur noch als „Assessment-Center“ wahr. Der für Eltern hohe Erziehungswert der Selbstentfaltung der Kinder gerät in Konflikt mit den schulischen Leistungsanforderungen:
Gerade in den Milieus der modernen Unterschicht divergieren Anspruch und Wirklichkeit durch einen freiheitlich-nachlässigen Erziehungsstil: Von der Schule wird die Vermittlung von Disziplin, Konsequenz und Ordnung erwartet, welches sie selber aber in der Erziehung nicht konsequent verfolgen (S. 7 der Zusammenfassung)
Gerade Eltern von Kindern an Regionalschulen (Gesamtschulen) vernachlässigen die Erziehung Ihrer Kinder:
Lehrer und Lehrerinnen an diesen Schulformen
…“sehen sich Schülerinnen und Schülern gegenüber, die ihnen ohne erkennbare Erziehungsstruktur und ohne Erfahrung von Grenzen gegenübertreten. Parallel dazu treffen sie auf Eltern (vorwiegend in den unteren Milieus), die die Erziehung ihrer Kinder praktisch aufgegeben haben und an die Schule delegieren. Von praktischer und emotionaler Verwahrlosung ist eine steigende Zahl von Kindern in allen sozialen Schichten betroffen – wenngleich seltener aus Akademikerfamilien.“(S. 22 + 23 der Zusammenfassung)
…
Da Lerninhalte von der Schule nicht ausreichend vermittelt und erklärt werden, sehen sich Eltern zunehmend in die Rolle des „Hilfslehrers“ gedrängt, die schulischen Lerninhalte zu Hause mit den Kindern zu erarbeiten, oder die Hilfe eines Nachhilfelehrer in Anspruch nehmen. „Die Mehrheit der Schüler und Schülerinnen durchläuft die Schule mit der Mutter im Rücken, die nachmittags als Hilfslehrerin dafür sorgt, dass die Kinder die Schule gut bewältigen können“ (S. 9 der Zusammenfassung).
Eltern am unteren Rand weisen diese Lern-und Übungs-Verantwortung komplett den eigenen Kindern oder der Schule als Institution zu (S. 7 der Zusammenfassung), was natürlich die „Bildungsschere“ weiter öffnet, da in diesen Milieus die „zeitlichen, kulturellen und sprachlichen Ressourcen häufig fehlen“ (S.9 der Zusammenfassung).
Wenn Eltern selber als häusliche Lehrer mit den Schülern üben und bei den Hausaufgaben helfen, ist dieses selten produktiv:
Darum sollten Eltern vielleicht doch besser gleich eine professionelle und erfolgreiche Nachhilfe in Anspruch nehmen… 😉
Auch die Belastung der Schüler aus dem innerfamiliären Bereich nimmt zu und reflektiert in das schulische Leistungsniveau: Viele Kinder leiden unter der Trennung der Eltern, leben heute in Patchwork-Familien, haben Krankheit oder Arbeitslosigkeit der Eltern zu verkraften (S. 21 der Zusammenfassung). Und so geht es munter weiter in der Studie. Wer’s im Original lesen mag, der kauft sich die Studie für schlappe € 34,90, ISBN 978-3-8282-0577-2. Wem die Zusammenfassung der Ergebnisse reicht, findet diese hier.
5 Gedanken zu „Eltern – Lehrer – Schulerfolg“