Gestern wurde die 2. Jako-o Bildungsstudie 2012 vorgestellt und einige Ergebnisse von der Presse schon thematisiert. Interessant sind Bildungsstudien in Deutschland allemal, ein genaues, dezidiertes Hinschauen auf Gesamtheit und Ergebnisse lohnt aber immer.
Grundlage der „Jako-o Bildungsstudie 2012“ (BS12) ist hier eine telefonische Umfrage im Januar 2012 von ca. 2000 Müttern und ca. 900 Vätern mit schulpflichtigen Kindern bis zu 16 Jahren. (2010 bei der ersten Umfrage –Jako-o Bildungsstudie waren es hier nur 2500 Eltern mit schulpflichtigen Kindern bis 16 Jahren zzgl. 500 Eltern ohne schulpflichtige Kinder…vgl. Methodik S. 2 BS12)
Das mag marginal erscheinen, lässt den Leser aber Tendenzen und Abweichungen zu den 2010er Umfrageergebnissen besser nachvollziehen, da Eltern schulpflichtiger Kinder Schule logischerweise anders beurteilen als eben Eltern nicht schulpflichtiger Kinder. Nebenbei erachten wir 17% stochastisch schon als Meilenstein ;-).
Einige Gedanken zu den Einzelergebnissen der Telefonumfrage:
Kolportiert wurde, dass sich 70% der Befragten eine Ganztagsschule wünschen. Das ist streng genommen von den befragten Eltern so nicht wiedergegeben worden, denn die Frage lautete:
„Auf welche Schule würden Sie ihr Kind schicken?“
38% der Befragten Eltern wünschen sich eine Schule mit freiwilligem Nachmittagsangebot, 28% eine (geregelte) Halbtagsschule mit Unterricht nur bis Mittags und nur 32% der Befragen eine sogen. Gebundene Ganztagsschule (Kurzzusammenfassung S. 6 BS12). Und wäre die Frage präziser gestellt worden, wären u.U. auch die Anworten in der Gewichtung anders ausgefallen… auch zu früheren Zeiten endete der Unterricht an einer Halbtagsschule ab der 3. Klasse aufwärts selten schon um 12:00 Uhr mittags…
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die überwiegende Mehrheit der Befragten das G-8 ablehnt, nämlich 79%. Dieses mit der Begründung des „Lernstresses“: Am ehesten wäre das G-8 Modell annehmbar, wenn die Lehrpläne der kürzeren Lernzeit hinreichend angepasst würden (59 %). Sogar für Eltern, die eigentlich die längere Laufzeit bevorzugen, wäre diese Variante mehrheitlich akzeptabel (52 %). Diesen Punkt betonen jedoch auch Eltern, die sich generell für das achtjährige Gymnasium aussprechen (82 %) (vgl. S. 7 BS12).
Wollen dann die Eltern, die sich eine gebundene Ganztagsbeschulung wünschen, im Prinzip nur eine Nachmittagsbetreuung? Dann ohne einen ergänzenden Nachmittagsunterricht, der Lernstress entfaltet, weil zusätzlicher Stoff nachgearbeitet werden muss?
Der Begriff „Ganztagsschule“ trifft es dann aber nicht, wenn nur um sinnvolle Kinderbetreuung geht und man könnte doch in Deutschland das implementieren, was vielen Ländern ehemals englischer Kronkolonien ohnehin weit verbreitet ist, die sogenannten „After School Center“: Die Schüler werden nach dem Unterricht an den einzelnen Schulen eingesammelt und in privaten „Zentren“ zusammengeführt, wo gemeinsam Mittagessen, Hausaufgaben, Sport und Drill stattfindet, bis die Eltern Ihre Kinder dann wieder um 18:00 Uhr dort einsammeln. Der Verfasser hat so etwas schon 1970 im englischsprachigen Ausland kennenlernen dürfen. In den USA ist das ein richtiges „Big Buisiness“, ACE Education ist beispielsweise ein großer Anbieter dort, mit klaren Erziehungszielen, auch in der Charakterformung der Kinder 😉
Vielleicht wäre die Beurteilung des G-8 auch weniger krass ausgefallen, wäre die Umfrage zu einer anderen Jahreszeit durchgeführt worden: Naturgemäß ist nicht nur an den Gymnasien in den ersten Januar-Wochen eines Jahres der Leistungsdruck auf Schüler (und damit auch auf Eltern) am höchsten (Halbjahreszeugnisse / Abitur). Im Winterschlussverkauf waren die Umsätze früher im Einzelhandel auch höher ;-).
Die Aussagen zur Nachhilfe sind in Studien oder Befragungen naturgemäß für einen professionellen Nachhilfeanbieter immer besonders interessant: Die %-Zahl der Kinder, welche „unbedingt“ Nachhilfe benötigen, ist von 11% in 2010 auf 8% in 2012 zurückgegangen, jedoch rund ein Drittel der Kinder der Befragten bereits Nachhilfe (dann partiell) in Anspruch nehmen müssen (vgl. S. 11 BS12). Eine Spanne der Nachhilfe-Quote, die sich auch mit den Ergebnissen der Bertelsmann- und der SHELL-Jugendstudien zu dem Thema weitestgehend deckt: Zwischen 7-29% je nach Schulart.
So lange eine gebundene Ganztagsschule in Deutschland nicht verbindlich flächendeckend eingeführt wird, bleiben die Nachhilfequoten (hoffentlich) so niedrig und steigen nicht auf 87% wie in Frankreich.
Die Inklusion (Gemeinsamer Unterricht von behinderten und nicht behinderten Schülern), welche in Hamburg ja seit 2011 umgesetzt ist, wird von den Befragten Eltern differenziert beantwortet:
Satte 89% votieren für einen gemeinsamen Unterricht von körperlich und nicht körperlich behinderten Kindern. Und das auch gerade mit der Begründung, das Inklusion positive Auswirkungen auf das Sozialverhalten der nicht behinderten Kinder hätte. Bei geistigen Behinderungen und verhaltensauffälligen Kindern ist die Stimmung geteilt (jeweils 46%) und immerhin 42% der Eltern sind der Meinung, dass der Klassenverband dann langsamer vorankommt. 70 % der befragten Eltern sind generell der Meinung, dass behinderte Kinder in Förderschulen „besser gefördert“ werden als in der allgemeinen Regelschule (vgl. S. 11 BS12). Den Ausdruck „Behinderte“ haben wir so der Studie entnommen…
Je stärker Eltern die Bildungschancen in Deutschland als ungerecht empfinden, desto eher favorisieren sie eine späte Aufteilung der Kinder in die weiterführende Schulform (vgl. S. 7 BS12)
Fazit:
Die „Jako-o Bildungsstudie 2012“ bietet beim differenzierten Lesen der Fragen und Antworten sicher nicht nur für den Nachhilfe News Blog den einen oder anderen Anhaltspunkt, was zumindest die befragten Eltern wirklich wollten ;-).
Die ausführlichen Ergebnisse der 2. JAKO-O Bildungsstudie 2012 stehen auch zum Download im Internet bereit, zum Vergleich auch die Jako-o Bildungsstudie 2010