Seit den Studien von John Hattie wissen alle an Bildung Interessierten, was in der Schule zur nachhaltigen Wissensvermittlung beitragen kann, was wirklich hilft und was nur schmückende, bildungspolitische „Beilage“ ist und leider keine signifikante Lernwirkung entfaltet.
Über die Metastudie von Hattie „Visible Learning“ sind mittlerweile auch in Deutschland eine Reihe wissenschaftlicher Artikel mit in der Regel positiven Kommentaren erschienen. Kritikpunkte gibt es wenig, meistens eher diffuse Äußerungen wie „auf die deutsche Bildungslandschaft nicht übertragbar“, „Umsetzung kostet zu viel Lehrer-Arbeitszeit“ oder „nur englischsprachige Studien ausgewertet“ (vgl. Höfer/Steffens, Landesschulamt Hessen 2013).
Das ist wohl wenig evident, denn auch ein englischer Lehrer arbeitet, auch ein englischsprachiger Schüler geht in einen Gruppenunterricht und muss dort Wissen aufnehmen, was er sich nicht selber ausgesucht hat…
Hattie hat 66 Wirkfaktoren herausarbeiten können, die messbaren (!) positiven Einfluss auf Schülerwissen und Lernerfolg haben. Unter den ersten 26 Faktoren finden sich alleine 17, die direkt mit der Person des Lehrers und der Art und Weise seiner Unterrichtsgestaltung zu tun haben. Das Lehrerhandeln ist also eine, wenn nicht DIE entscheidende Einflussgröße für den Lernerfolg von Schülern (SuS).
Jedoch spielt auch die eigene Entwicklung, das eigene (Lern-)verhalten des SuS und seine häusliche Unterstützung auch nach Hattie eine nicht zu unterschätzende Rolle. Ebenfalls können viele positive Wirkfaktoren, die in der Schule im Unterricht eine Rolle spielen, auch auf zu Hause übertragen werden.
Das ist nicht nur sinnvoll, sondern häufig – wie uns unsere fast 20-jährige Praxis lehrt – schlicht bittere Notwendigkeit, denn der Schulbesuch alleine bildet nicht bei allen Schülern notwendiges Basiswissen und Kompetenzen aus.
- Achten Sie auf Ordnung in den Skripten und Schulheften. Die Heft- und Mappenführung ist den SuS heute weitgehend freigestellt und wird ab einer bestimmten Klassenstufe nicht mehr konsequent schulisch überwacht und häufig verwendet das Lehrpersonal nur lose Zettel im Unterricht. Nur mit ordentlich abgelegten Umdrucken und nachvollziehbaren Unterrichtsunterlagen ist die nächste Klassenarbeit erfolgreich zu schaffen.
- Achten Sie darauf, dass ein Schulbuch für die Klassenstufe und das Fach vorhanden ist, damit der Schüler lernt, den Unterricht „wissenschaftlich“ nachzuarbeiten und auch mal etwas in einem Lehrbuch nachschlagen kann. Mit Schulbüchern lernt es sich häufig wesentlich zielorientierter als mit den ausgegebenen Zetteln oder der Eigenrecherche im Internet. Wenn die Fachlehrer kein Buch ausgegeben haben, kann im Internet (!) das passende Lehrbuch gebraucht auch für kleines Geld (meist unter € 10,-) erworben werden. Schon ein guter Füller ist da deutlich teurer…
- Lassen Sie ihr Kind Schulhefte mit weißem Papier benutzen. College-Blöcke sind zwar hip, aber denkbar unpraktisch zum Nacharbeiten des Schulunterrichtes. Lose Zettel müssen sortiert und fächerkongruent abgelegt werden. Das kostet schlicht Zeit und ist auch gerade unter Umweltgesichtspunkten nicht empfehlenswert, oder beschreibt ihr Kind die losen College-Block-Zettel auch beidseitig wie in einem Heft und hält den Rand ein? Auch in Ihrem Beruf arbeiten Sie doch mit nachvollziehbaren und (hoffentlich) gut sortierten Akten.
- Nehmen Sie Anteil am Schulleben und am Fachunterricht Ihres Kindes und lassen Sie sich auch mal Unterrichtsinhalte erklären. Hattie nennt gerade Feedback, reziprokes Lernen (= tutorielles Lernen) und formative Evaluation als Haupt-Wirkfaktoren. Das können auch Sie zu Hause, in dem Sie sich mal anhören, womit ihr Kind sich im Fachunterricht auseinandersetzt!
- Sorgen Sie für ein regelmäßiges Lernen und eine Abfrage von Vokabeln in den Fremdsprachen. Nur über das Herausbilden eines ausreichenden Vokabelschatzes lässt sich in der Fremdsprache in den Klassenarbeiten textsicher formulieren. Mittlerweile dürfen teilweise schon ab der Mittelstufe zum Beispiel Englisch-Deutsch-Dictionaries benutzt werden. Das bietet jedoch nur scheinbare Sicherheit, denn das Nachschlagen einer fehlenden Vokabel kostet Zeit!
- Sehen Sie mit ihrem Kind gemeinsam einmal am Tag seriöse TV-Nachrichten. Mehr und mehr finden gesellschaftlich relevante und auch aktuelle Themen Eingang in das Unterrichtsgeschehen nahezu aller geisteswissenschaftlicher Fächer (die Wirtschaft und der Euro, Gesellschaften in fremden Ländern, Umweltaspekte, erneuerbare Energien, Integration und Rassismus etc.). Es erweitert den Wissens-Horizont der SuS.
- Verbannen Sie Kugelschreiber und Bleistifte für Mitschriften aus der Federtasche. Kugelschreiber und Bleistifte schreiben kontrastreich nur mit Druck, was auf die Dauer anstrengend für die SuS ist, die dann natürlich nicht mehr alles im Unterricht mitschreiben. Oder gehen Sie mit Gewichten an den Füßen joggen? Lassen Sie Gelschreiber benutzen, wenn der Füller nicht mehr gewollt ist.
- Lassen Sie Ihre Kinder schulische Literatur laut (vor-)lesen. Leise lesen führt zum rein optischen „Querlesen“, es bleiben wenig Infos haften. Bedenken Sie, dass ein Schüler sich die zu lesende Schulliteratur selten selber aussuchen kann, sich daher auch nicht unbedingt mit „Kabale und Liebe“ oder der „Schachnovelle“ inhaltlich voll identifizieren kann. Jeder Rhetoriker übt seine freie Rede vorher durch laut lesen, so arbeiten die Profis…
- Halten Sie ihre Kinder zum Lesen an. Das kommt heute leider nicht mehr automatisch, sondern muss vom Elternhaus forciert werden. Jugendliche schreiben heute der Brieffreundin auch keine Briefe mehr, sondern posten eine Kurzmitteilung auf Facebook. Schulische Wissensvermittlung basiert in den Geisteswissenschaften aber nach wie vor auf Textstruktur und -analyse. Nur wer als SuS dann gelernt hat, einen „roten Faden“ durch einen Literatur-Text spinnen zu können, kann hier dem Unterrichtsgeschehen in den höheren Klassen auf Dauer folgen.
- Suchen Sie den Kontakt mit den Fachkräften an der Schule. Ja, das ist ab der Sekundarstufe I sicher etwas problematischer für die Eltern als noch zu Grundschulzeiten, wo man die Lehrer leichter mal zu fassen bekommt… Aber Sie erhalten – eventuell nach mehreren Versuchen – ein individuelles Feedback, wie der Fachlehrer ihr Kind wahrnimmt und können häuslich aus- und nachregeln. Auch dem Fachlehrer signalisiert Ihre Kontaktaufnahme, dass da „am anderen Ende der Leitung“ ein Erziehungsberechtigter ist, der „sich kümmert“, sein Kind nicht schulisch alleine lässt und Sie bekommen ein direktes „Feedback“ von dem Unterrichtsverantwortlichen. Individuelles Lehrer-Feedback für den Schüler nimmt übrigens nach John Hattie den Rangplatz 10 mit 183% Lernerfolg auf der Wirkskala ein 😉
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4 Gedanken zu „10 Lerntipps für Schüler und Eltern frei nach Hattie“